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„Das Außen gibt einem wenig Zeit.“ – ein Satz einer Klientin

Aktualisiert: 17. Juli

„Das Außen gibt einem wenig Zeit.“ – ein Satz einer Klientin


In meiner Arbeit erlebe ich immer wieder Situationen, in denen Menschen mit Krisen oder Belastungen zu kämpfen haben. Große Themen wie Trennungen, der Verlust eines Jobs, Krankheit oder der Tod eines nahestehenden Menschen.

Aber auch die vermeintlich kleinen Dinge: Konflikte im Freundeskreis, das Scheitern eines Vorhabens, ein enttäuschendes Gespräch, eine Absage.


All diese Situationen haben häufig eines gemeinsam: Das Außen lässt einem wenig Zeit.


Was schnell wieder gut sein soll


Kaum ist etwas passiert, stehen sie bereit – die Stimmen von außen:

„Schau nach vorn.“

„Das Leben geht weiter.“

„Du musst jetzt auch wieder funktionieren.“


Man könnte fast meinen, das Umfeld will wirklich helfen.

Doch oft ist es eher der Versuch, etwas schnell wieder in Ordnung zu bringen – nicht unbedingt für die betroffene Person, sondern fürs eigene Gefühl.


Das, was man lieber nicht aushält


Denn wenn ich ehrlich bin:

Das Umfeld hat manchmal selbst ein Problem damit, mit Schmerz, Krisen oder Unsicherheit umzugehen.

Und statt sich dem zu stellen, wird dieses Problem ausgelagert.

An die, die gerade ohnehin schon mehr als genug zu tragen haben.


Sie sollen jetzt bitte möglichst schnell wieder klarkommen.

Wieder leistungsfähig sein.

Wieder so funktionieren, wie es von ihnen erwartet wird.


Wie lange darf es dauern?


Das ist ein Phänomen, das ich aus meiner Arbeit nur zu gut kenne.

Menschen kommen zu mir, weil sie ohnehin schon in einer schwierigen Situation sind – und dann werden sie zusätzlich damit konfrontiert, dass sie sich möglichst schnell wieder anpassen sollen.

An die Erwartungen anderer.

An die Geschwindigkeit, die von außen vorgegeben wird.


Aber was bedeutet das eigentlich – „weitergehen“?

Wer bestimmt das Tempo?

Und wer entscheidet, wann jemand fertig ist mit Trauern, Verarbeiten, Aushalten?


Wenn der Druck größer wird als die Krise selbst


Aber wie soll das gehen?

Wie soll jemand, der ohnehin gerade mit Schmerz, Überforderung oder Ohnmacht ringt, auch noch den Erwartungen anderer gerecht werden?


Kein Wunder, dass sich viele irgendwann fragen, ob mit ihnen etwas nicht stimmt.

Kein Wunder, dass Selbstzweifel wachsen, wenn das Umfeld vorgibt, man müsse jetzt schon weiter sein.


Ich habe in vielen Gesprächen erlebt, wie stark dieser Druck wirken kann.

Manchmal fast stärker als das eigentliche Ereignis.

Weil sich zu der eigentlichen Belastung noch das Gefühl gesellt, nicht genug zu sein, zu langsam, zu empfindlich, zu wenig belastbar.


Die Zeit, die niemand geben will


Dabei ist es doch völlig normal, dass wir Zeit brauchen.

Nicht nur bei den großen Dingen.

Auch bei den kleinen.

Manchmal reichen schon ein blöder Kommentar, eine Verletzung, eine unerwartete Enttäuschung, um aus dem Tritt zu kommen. Und selbst dafür haben wir heute gefühlt keine Zeit mehr.


Vielleicht wäre es gut, wenn wir uns selbst und anderen wieder mehr davon geben würden:

Zeit.

Nicht als Floskel, sondern wirklich.

Zeit, um zu fühlen.

Zeit, um zu verstehen.

Zeit, um nicht sofort funktionieren zu müssen.


Ein anderer Blick auf Unterstützung


In meiner Arbeit versuche ich genau das.

Einen Raum zu schaffen, in dem es nicht darum geht, möglichst schnell Lösungen zu finden oder sich wieder ins System einzupassen.

Sondern in dem es okay ist, erstmal nichts zu müssen.

Außer vielleicht sich selbst wieder ein Stück näherzukommen.


Denn manchmal ist das, was wirklich weiterbringt, genau das Gegenteil von „Es muss doch weitergehen.“


Was wäre, wenn wir einfach da wären?


Und vielleicht wäre es vielmehr an der Zeit, uns zu fragen:

Was macht es mit uns, wenn wir nicht aushalten können, dass andere Zeit brauchen?

Was wäre, wenn wir unsere eigenen Unsicherheiten nicht ungefragt bei anderen abladen?

Und was wäre, wenn wir – statt schnelle Antworten zu geben – einfach da wären?


Welche Gedanken sind dir beim Lesen gekommen? Teile sie gern in den Kommentaren.

 
 
 
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©2024 Sarah Walther

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